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Makroökonomische Hausmeinung – März 2023

Ein höchst unsicheres Szenario: Die Weltkonjunktur verlangsamt sich, was zu mehreren Quartalen ohne Wachstum bzw. mit negativem Wachstum und anschließend zu moderatem Wachstum führt.

Hohe Inflation, die straffe Geldpolitik und hohe Ungewissheit belasten auch 2023 das globale Wachstum. Die Wiedereröffnung Chinas ist ein willkommener Schritt, der der Wirtschaft Auftrieb verleihen wird.

Eine sanfte Landung ist möglich, erscheint aber kompliziert, da die weiterhin robuste Nachfrage weitere Straffungen durch die Zentralbanken nötig macht. Falls es nicht zu politischen Fehlern oder einem erneuten exogenen Schock kommt, erscheint eine heftige Rezession unwahrscheinlich.

Die Gesamtinflation geht zurück, doch die Kerninflation wird längere Zeit auf einem hohen Niveau bleiben und sich erst 2024 in Richtung der Zielwerte der Zentralbanken bewegen.
Zwar haben die Zentralbanken das Tempo der Straffungen gedrosselt, aber sie werden noch auf längere Sicht an ihrer restriktiven Politik festhalten, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Die Zentralbanker stehen vor der Herausforderung, dass sie einen nachhaltigen Rückgang der Inflation erreichen müssen, ohne eine heftige Rezession auszulösen.

Globaler Ausblick

Obwohl die Weltkonjunktur 2022 schließlich weitaus robuster als erwartet war, wird sich die Wachstumsverlangsamung angesichts der hohen Ungewissheit 2023 fortsetzen. Die Industrieländer konnten eine Rezession vermeiden und die konkreten Zahlen blieben auch Anfang 2023 relativ robust; dennoch ist aufgrund des verzögerten Effekts der Geldpolitik eine Wachstumsabschwächung zu erwarten.

Nachdem sie mehrere Monate lang rückläufig waren, signalisieren die Frühindikatoren und Umfragen zur künftigen Wirtschaftsaktivität vor allem für den Dienstleistungssektor, der vom Inflationsrückgang profitiert, eine Erholung.

Die Stimmung hat sich insgesamt verbessert,
und der Ausblick ist lange nicht mehr so düster
wie noch vor ein paar Monaten.“

Dr Andrea Siviero

Die Stimmung hat sich insgesamt verbessert, und der Ausblick ist lange nicht mehr so düster wie noch vor ein paar Monaten. Die Befürchtungen eines deutlichen Konjunktureinbruchs lassen nach, während die Hoffnung auf eine sanfte Landung steigt.

Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Inflation haben bereits Wirkung gezeigt und die Gesamtinflation tendierte nach unten. Die Kerninflation ist jedoch auf ihrem hohen Stand geblieben und könnte sich verfestigen, denn der Aufwärtsdruck ist in Bereichen wie Löhne, Mieten und Dienstleistungen nach wie vor hoch.

Nachdem sie zunächst zur Begrenzung der Gesamtnachfrage einen aggressiven Straffungskurs verfolgt hatten, verlangsamten die weltweiten Zentralbanken ihre Straffungen. Angesichts der weiterhin hohen Inflation werden sie jedoch gezwungen sein, die Zinsen weiter anzuheben und länger als gedacht an ihrer restriktiven Geldpolitik festzuhalten. Solange keine starke Rezession eintritt, dürften die Zentralbanken in aller Welt eine ruhige Hand behalten und ihre Politik darauf ausrichten, die Inflation in den Griff zu bekommen.

Die neuesten Daten, die auf eine robuste Konjunkturentwicklung in den USA und der Eurozone hindeuten, haben zusammen mit der Erholung in China das Risiko verstärkt, dass die Inflation hoch bleibt und die Zentralbanken ihre Leitzinsen letztlich mehr als erwartet anheben.

Die Zentralbanken stehen vor einer Herausforderung: Sie müssen ihre Geldpolitik weiter straffen, um die Inflation zu begrenzen, aber erneute Zinserhöhungen und der verzögerte Effekt der rapiden Straffung im letzten Jahr könnten die Volkswirtschaften irgendwann in die Rezession abgleiten lassen.

Der IWF hat seine Wachstumsprognosen leicht nach oben korrigiert und rechnet nun mit einem Rückgang des weltweiten Wachstums von 3,4 % im Jahr 2022 auf 2,9 % 2023. Die Inflation dürfte von 8,8 % 2022 im Jahr 2023 auf 6,6 % und 2024 auf 4,3 % sinken.

Regionale Unterschiede

Die US-Wirtschaft blieb in der zweiten Jahreshälfte 2022 robust und die neuesten Daten deuten auf eine solide Konjunkturentwicklung Anfang 2023 hin. Aufgrund des verzögerten Effekts der geldpolitischen und weiteren Straffungen durch die Fed könnte jedoch eine Konjunkturverlangsamung bevorstehen.

Zinssensible Sektoren (Wohnimmobilien) waren über mehrere Monate deutlich rückläufig. Die Industrieproduktion, die Investitionen der Unternehmen und die regionalen Indikatoren für das verarbeitende Gewerbe tendieren nach unten und lassen befürchten, dass die US-Konjunktur sich schon bald abkühlen könnte.

Es herrscht zwar Vollbeschäftigung, aber die Arbeitskräftenachfrage schwächt sich in vielen Sektoren genau wie die Lohnerhöhungen ab. Die Einkommen, der Privatverbrauch und die Einzelhandelsumsätze erholten sich nach einer Schwächephase Ende 2022, aber über kurz oder lang werden die Verbraucher den von den gesunkenen Realeinkommen ausgehenden Druck zu spüren bekommen.

Nach ihrem aggressivsten Straffungszyklus der letzten 40 Jahre hat die Fed ihr Ziel, die Gesamtnachfrage zu verlangsamen, zum Teil erreicht, aber es liegt noch Arbeit vor ihr und die Rezessionsrisiken sind beträchtlich gewachsen. Um einen schweren Konjunktureinbruch zu vermeiden, hat die Fed das Tempo ihrer Straffungen nach und nach verlangsamt, aber sie wird sie wahrscheinlich noch bis zum Sommer fortsetzen, um sie dann auszusetzen und die gesamten Auswirkungen ihrer Politik zu beobachten.

Eine sanfte Landung ist immer noch möglich, wird aber schwierig, und der Weg dorthin ist voller Hindernisse. Die Inflation im Dienstleistungssektor ist immer noch hoch und die Fed benötigt zusätzliche Belege für eine Disinflation, bevor sie pausiert, denn wegen des verzögerten Effekts der Geldpolitik könnte eine weitere Straffung die US-Wirtschaft in die Rezession abgleiten lassen. Allerdings hat die Fed die US-Wirtschaft in Richtung Disinflation gesteuert und erheblich an Zeit und politischem Spielraum gewonnen. Sie erscheint in Bezug auf eine sanfte Landung besser aufgestellt zu sein als andere Zentralbanken.

Die Wirtschaft der Eurozone erwies sich 2022 als erstaunlich robust. Trotz der historisch hohen Inflation, des Kriegs in der Ukraine, der Energiekrise und der Konjunkturverlangsamung in China kam die Wirtschaft der Eurozone um eine Rezession herum. Der solide Arbeitsmarkt war in Verbindung mit starker haushaltspolitischer Unterstützung und der vorsichtigen Haltung der EZB in Sachen Normalisierung der Geldpolitik entscheidend dafür, dass ein Konjunktureinbruch vermieden wurde, trug aber zu starken Preisanstiegen überall in der Eurozone bei.

Die Stimmung, die letztes Jahr auf dem Tiefpunkt war, hat sich deutlich gebessert. Die Gaspreise sind erheblich gesunken, die Energieversorgung wurde diversifiziert und die Angst vor einer umfassenden Energiekrise hat sich gelegt. Die Industrieproduktion ist schwach, stabilisiert sich aber, da die Lieferkettenprobleme zurückgehen und China die coronabedingten Beschränkungen aufgehoben hat. Der Arbeitsmarkt ist robust und die Umfragen zur künftigen Wirtschaftsaktivität deuten durchweg auf ein Wachstum der Wirtschaft hin.

Trotz der besseren Stimmung in der Wirtschaft bleibt der Ausblick mittelfristig schwierig. Die Eurozone ist mit einer Konjunkturverlangsamung und hoher Ungewissheit konfrontiert, und für 2023 kann eine leichte Rezession nicht ausgeschlossen werden. Der Preisdruck nimmt insgesamt ab, aber die zugrunde liegende Inflation ist immer noch zu hoch und weitet sich aus. Die Kerninflation liegt weiter auf einem Allzeithoch und die Binnennachfrage könnte aufgrund der sinkenden Realeinkommen zurückgehen.

Vor dem Hintergrund des robusten Wachstums, des zunehmenden Preisdrucks und der zuverlässigen haushaltspolitischen Unterstützung sind von der EZB seit Ende letzten Jahres aggressivere Töne zu hören. Da sie erst spät zu Straffungen übergegangen ist, muss die EZB nun Kurs halten und eine restriktive Politik verfolgen, auch wenn dann möglicherweise in der Eurozone eine echte Rezession droht. Die aggressive Haltung der EZB könnte Fragen in Bezug auf die Verschlechterung der Konjunktur der Eurozone aufwerfen und politische Spannungen könnten die restriktive Haltung der EZB auf die Probe stellen.

Die chinesische Führung gab Ende letzten Jahres ihre Null-Covid-Politik auf und konzentriert ihre wirtschaftlichen Prioritäten dieses Jahr auf die Unterstützung der Konjunkturerholung durch eine expansive Haushalts- und Geldpolitik, die die Wiedereröffnung begleitet. Die Wiedereröffnung wird sich als ein schwieriger Prozess erweisen, aber die chinesische Führung ist offenbar entschlossen, ihre wirtschaftlichen Ziele zu erreichen.

Trotz der starken politischen Unterstützung war die konjunkturelle Entwicklung Ende letzten Jahres schwach, weil der Binnenkonsum gering war, die internationale Nachfrage zurückging und die Arbeitslosigkeit hoch blieb. Allerdings gibt es Anzeichen dafür, dass die Fallzahlen in den Großstädten ihren Höchststand hinter sich haben; zudem haben sich die Mobilitätsindikatoren verbessert.
Es werden wieder mehr Kredite vergeben und die Umfrageindikatoren sind 2023 sowohl im verarbeitenden Gewerbe als auch im Dienstleistungssektor wieder positiv. Der Dienstleistungs- und der Bausektor erholen sich dank der Wiedereröffnung und der Unterstützung durch die Politik und Infrastrukturprojekte schnell. Dank der Zunahme der Aufträge aus dem In- und Ausland verzeichnet auch das verarbeitende Gewerbe eine Erholung.

Die Wiedereröffnung Chinas stellt einen positiven Angebots- und Nachfrageschock für die Weltwirtschaft dar. Eine nachhaltige Erholung Chinas wird die Gesamtnachfrage ankurbeln und so die schwächelnde Dynamik der Weltwirtschaft abpuffern. Der Aufschwung Chinas bedeutet, dass die Nachfrage in der Volksrepublik steigt, und stützt das Wachstum der rohstoffexportierenden Länder, was die Gesamtinflation womöglich weiter anheizt.

Zusammenfassung

  • Die Weltwirtschaft steht vor ungewissen Zeiten und Konjunkturprognosen sind äußerst schwierig. Der Ausblick für 2023 wird zum Großteil von der Inflationsentwicklung, der Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaften und der makroökonomischen Politik der Behörden abhängen.
  • Die Weltwirtschaft erwies sich 2022 und Anfang 2023 als ausgesprochen robust. Der Ausblick für die Wirtschaft ist positiver als noch vor ein paar Monaten, aber die hartnäckige Inflation, die anhaltende geldpolitische Straffung und der verzögerte Effekt der letztjährigen Zinserhöhungen wird in den kommenden Monaten eine erneute Konjunkturverlangsamung auslösen.
  • Die anhaltend hohe globale Nachfrage und die beständige Inflation sind eine Herausforderung für die Geldpolitiken der Zentralbanken. Die Zentralbanken müssen auf Kurs bleiben und noch eine Zeitlang an ihrer restriktiven Haltung festhalten, um die Preisstabilität wiederherzustellen und die Erwartungen in Bezug auf einen bevorstehenden Anstieg der Inflation nicht weiter anzuheizen.
  • Die Gefahr von politischen Fehlern ist gestiegen. Die Politik muss sorgfältig zwischen einer anhaltenden Inflation und der Gefahr einer Rezession abwägen. Eine übermäßige Straffung könnte die Weltwirtschaft in eine schwere Rezession abgleiten lassen oder eine Finanzkrise auslösen, während zu wenig Straffung dazu führen würde, dass die Inflation auf einem hohen Stand stagniert, die Inflationserwartungen zunehmen und die Kosten einer künftigen Zügelung der Inflation steigen.
  • Das Basisszenario für 2023 besteht in einer anhaltenden Verlangsamung des globalen Wachstums und einer möglichen leichten Rezession, gefolgt von einer Phase kümmerlichen Wachstums wegen der anhaltenden Inflation und der Straffung der Geldpolitiken.