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Makroökonomische Hausmeinung – September 2023

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Keine Anzeichen für eine unmittelbar bevorstehende globale Rezession
  • Steigende Reallöhne und anziehende Energiepreise sorgen für ein weiterhin überdurchschnittliches Inflationsniveau, dennoch sind die Zentralbanken am oder kurz vor dem Ender ihres Zinserhöhungszyklus
  • Die Ansteckungsgefahr durch die Schwierigkeiten im chinesischen Immobiliensektor ist real, doch die gezielten fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen reichen aktuell zur Eindämmung des Problems

Globaler Ausblick

Angesichts der restriktiven Geldpolitik und der anhaltend hohen Inflation ist die Weltkonjunktur weiterhin rückläufig. Trotz einer weiteren Wachstumsverlangsamung im letzten Quartal des Jahres gibt es keine Anzeichen für eine unmittelbar bevorstehende Rezession. Die Lage auf den Arbeitsmärkten bleibt angespannt. Die Zahl der offenen Stellen nimmt kontinuierlich ab und die Arbeitslosenquoten steigen langsam an. Während sich das Verbrauchervertrauen auf niedrigem Niveau zu stabilisieren scheint, sind die Erwartungen für die künftige Wirtschaftstätigkeit nach wie vor schwach.

Nachdem die Gesamtinflation in der ersten Jahreshälfte erheblich zurückgegangen war, beginnt sie nun wieder zu steigen. Grund dafür sind einerseits der Basiseffekt und andererseits sowohl steigende Reallöhne als auch eine starke fiskalische Unterstützung. Zusätzlich wird der Disinflationsprozess und das Wachstumsnarrativ durch den erheblichen Anstieg der Ölpreise ernsthaft in Frage gestellt. Die Zentralbanken in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften werden die Zinssätze noch länger auf hohem Niveau belassen, Zinssenkungen sind in den kommenden Quartalen nicht zu erwarten.

„Während sich das Verbrauchervertrauen auf niedrigem Niveau zu stabilisieren scheint, sind die Erwartungen für die künftige Wirtschaftstätigkeit nach wie vor schwach.“

Michael Blümke

USA

Das BIP-Wachstum der US-Wirtschaft blieb im September trotz der negativen Revisionen der Vormonate solide. Das Wachstum anderer fortgeschrittener Volkswirtschaften wurde im dritten Quartal erneut übertroffen. Die straffe Geldpolitik und die restriktiven Kreditvergabestandards werden das Wachstum in den kommenden Quartalen zwar begrenzen, die Chancen für eine sogenannte „weiche Landung“ stehen angesichts der aktuellen Wachstums- und Inflationsdaten jedoch gut. Insbesondere die starke fiskalische Unterstützung, die gute Einkommenssituation der privaten Haushalte und der stabile Arbeitsmarkt wirken hier unterstützend. Entsprechende Frühindikatoren unterstreichen dies: Die Expansion des Dienstleistungssektors verlangsamt sich, während das Verarbeitende Gewerbe trotz schrumpfender Aktivität eine leichte Verbesserung verzeichnet. Im September wurde zum zweiten Mal ein Rückgang des Verbrauchervertrauens gemeldet. Da die Verbraucher jedoch weiterhin ihre Ersparnisse für den Konsum verwenden, sind die Einzelhandelsumsätze nach wie vor gut.

Die zu beobachtende Abschwächung auf dem Arbeitsmarkt verläuft geordnet: Angebot und Nachfrage nähern sich an und das Lohnwachstum verlangsamt sich. Der Disinflationsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Der jüngste Anstieg der Energiepreise führte im August zu einer Beschleunigung der Gesamtinflation auf +3,7 % gegenüber dem Vorjahr. Die Fed hat spürbare Fortschritte auf ihrem Weg der Inflationssenkung gemacht. Die „hawkish pause“ im September hat jedoch zumindest verbal die Notwendigkeit weiterer Zinsschritte deutlich gemacht, sollte eine erneute Beschleunigung der Nachfrage den Disinflationsprozess gefährden.

Eurozone

Angesichts der rapiden Wachstumsverlangsamung, der hartnäckigen Inflation und eines Ölpreises von fast 100 US-Dollar pro Barrel keimt in der Eurozone erneut die Angst vor einer Stagflation auf. Für 2023 und 2024 korrigierten sowohl die EU-Kommission als auch die EZB die BIP-Wachstumsprognose nach unten und die Inflationsprognose nach oben. Die BIP-Daten für das zweite Quartal in der Eurozone lagen mit einem Plus von nur 0,1 % im Quartalsvergleich deutlich unter den ursprünglichen Schätzungen. Hauptverantwortlich dafür sind die deutlich schwächeren Exporte, die die schwache Auftragslage der Industrie widerspiegeln. Besonders negativ ist die Entwicklung in Deutschland und Italien. Das Vertrauen des europäischen Konsumenten hat sich dank der Verbesserung der Reallöhne stabilisiert, bleibt aber auf niedrigem Niveau. Trotz rekordtiefer Arbeitslosigkeit lässt der Konsum der privaten Haushalte weiter nach. Angesichts eines sich weiter verschlechternden Geschäftsklimas und weiterhin im Kontraktionsbereich stagnierender Einkaufsmanagerindizes liegen die Wachstumserwartungen für das dritte Quartal bei rund 0 %. Hohe Zinsen und strengere Kreditvergabestandards wirken hier wachstumsbremsend. Die EZB hat im September ihren Einlagensatz auf 4 % erhöht, steht aber angesichts einer nach wie vor viel zu hohen Kerninflation von 4,5% (die im Monatsverlauf um 0,8 % zurückging), steigender Reallöhne und einer schwächelnden Wirtschaft weiterhin vor großen Herausforderungen.

China

Das chinesische BIP-Wachstum für 2023 wurde kürzlich von vielen Wirtschaftsexperten unter das offizielle Ziel von 5 % gesenkt. Der Aufschwung war im September noch immer schwer fassbar, doch die chinesischen Behörden unterstützen die Wirtschaft weiterhin mit einer gezielten Steuer- und Geldpolitik. Die PBoC hat wiederholt die Leitzinsen und den Mindestreservesatz gesenkt. Zusätzlich wurden Maßnahmen zur Wiederherstellung des Vertrauens, zur Förderung von Investitionen und Konsum und zur Unterstützung des angeschlagenen Immobiliensektors verstärkt. Die politischen Anreize beginnen zu wirken, aber es wird noch einige Zeit dauern, bis eine selbsttragende Erholung erreicht ist. Auf der Habenseite kann verbucht werden, dass sowohl die Inlandsnachfrage als auch die Industrieproduktion und die Einzelhandelsumsätze gestiegen sind.

Als negativ sind weiterhin die Schwierigkeiten im Immobiliensektor (inklusive der potentiellen Ansteckungsgefahren), die schwache internationale Nachfrage sowie die anhaltenden Handelsspannungen zu benennen. Während die Verbraucherpreise im Jahresvergleich mit +0,1 % leicht ins positive drehten, blieben die Produzentenpreise mit – 3 % weiter im negativen Bereich.